Halsschmerzen - Antibiotikum?

 

Die kalte Jahreszeit ist die Zeit, in der sich die Infekte wieder häufen. Halsschmerzen zählen zu den häufigen Gründen, einen Arzt oder eine Notfallaufnahme zu besuchen. Die starken bis sehr starken Schmerzen, die sich oftmals beim Schlucken verstärken, möglicherweise von Fieber und Krankheitsgefühl mit Schwäche begleitet sind, veranlassen den Patienten oder deren Erziehungsberechtigten dazu, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.


Krankheitserreger:

Die bekannten Bakterien mit dem Namen „Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A“ können Halsschmerzen verursachen und sind auch Grund für eine antibiotische Behandlung. In den allermeisten Fällen werden aber Viren für die Beschwerden verantwortlich gemacht. Insbesondere bei Kindern unter 5 Jahren werden über 90% der Entzündungen durch Viren hervorgerufen. Eine „Streptokokken-Angina“ hat ihren Häufigkeitsgipfel zwischen 5 und 15 Jahren, in dieser Altersgruppe liegt der prozentuelle Anteil bei 15 bis 30%.
 

Heilungsverlauf:

Die akute Rachen- oder Mandelentzündung hat eine sehr hohe Spontanheilungsrate, das heißt, in den allermeisten Fällen ist keine spezifische Therapie notwendig und die Symptomendauer ist meist weniger als 7 Tage. Komplikationen sind selten bis sehr selten.
 

Komplikationen einer Streptokokken-Angina:

Prinzipiell sind Komplikationen selten.

Das akute rheumatische Fieber ist eine Antwort des Immunsystems circa 2 Wochen nach einer Streptokokken-Erkrankung. Es können Entzündungen von Gelenken, Herz, Hirn oder Haut auftreten. Meist sind diese von Fieber, Schwitzen oder Kopfschmerzen begleitet. Die Häufigkeit eines rheumatischen Fiebers ist in unseren Breiten extrem selten und wird circa auf 0,1Fälle/100 000 Kinder/Jahr geschätzt.

Die Post-Streptokokken-Glomerulonephritis tritt circa 1 bis 2 Wochen nach der Erkrankung auf und ist gekennzeichnet durch einen Prozess, bei dem der Körper körpereigene Strukturen angreift. Es kommt zu Entzündungsreaktionen im Bereich der Nieren mit den Symptomen Bauchschmerzen, Fieber, Kopfschmerzen und blutigem Harn. Meist verläuft diese Erkrankung gutartig und heilt selbständig aus. In seltenen Fällen kann es zu schweren Schäden an den Nieren kommen. Das Risiko wird auf circa 1/15 000 geschätzt.

Der Peritonsillarabszess ist eine sogenannte eitrige Komplikation der Streptokokken-Angina. Hier bildet sich ein Abszess unter bzw. neben der Gaumenmandel. Dies führt zu einseitigen, heftigen Beschwerden und kann unbehandelt sogar lebensbedrohlich sein. Die Häufigkeit wird mit 30/100 000 angegeben, wobei der Häufigkeitsgipfel im jungen Erwachsenenalter liegt.
 

Verhinderung der Komplikationen durch Antibiotika-Gabe?

Lange Zeit war Grund für die Gabe von Antibiotika bei einer Streptokokken-Angina das Verhindern von Komplikationen. Neuere Daten und Studien können diese Aussage nicht bestätigen.
Das Risiko für ein rheumatisches Fieber ist bei uns so gering wie eine schwere Komplikation durch die Penicillin-Gabe und eine Antibiotika-Gabe kann das Risiko für ein rheumatisches Fieber nicht weiter verringern.
Ebenfalls kann das Risiko für eine Post-Streptokokken-Glomerulonephritis durch eine antibiotische Therapie nicht weiter gesenkt werden.
Bei dem Peritonsillarabszess verhält es sich ähnlich. Einerseits gibt es klinisch keine guten Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Peritonsillarabszesses, andererseits wäre die Patientenzahl, die es bräuchte um 1 Komplikation durch eine frühzeitige antibiotische Therapie zu verhindern, sehr hoch, sodass es aus epidemiologischer Sicht nicht sinnvoll ist, aus diesem Grund eine antibiotische Therapie zu verabreichen.
 

Ansteckungsgefahr:

Die Streptokokken-Angina ist prinzipiell ansteckend. Jeder, der daran erkrankt, soll Gemeinschaftseinrichtungen meiden. Die Dauer der Ansteckung kann mit einer antibiotischen Therapie verkürzt werden. Theoretisch können Gemeinschafts-einrichtungen 24 Stunden nach Beginn der antibiotischen Therapie wieder besucht werden. „Theoretisch“ deswegen, weil zu diesem Zeitpunkt in aller Regel noch ein Krankheitsgefühl besteht und zu diesem Zeitpunkt noch die häusliche Pflege zu empfehlen ist. Dennoch konnte gezeigt werden, dass die Symptomdauer durch Antibiotika um 1–2 Tage verkürzt werden kann.
Ohne die Einnahme von Antibiotika können Gemeinschaftseinrichtungen nach Abklingen von Krankheitssymptomen wieder besucht werden.
 

Offizielle Empfehlungen zu einer Antibiotikatherapie:

Leitlinien aus den Niederlanden, Belgien oder Schottland empfehlen eine primär antibiotikafreie Therapie der Streptokokken-Angina. Auch von der deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin wird ein sehr zurückhaltendes Vorgehen bezüglich Antibiotika-Therapie empfohlen.
 
 
Literatur:

  • Wächtler H,·Chenot JF: Die Halsschmerz-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. HNO 2011 DOI 10.1007/s00106-011-2263-6 Springer-Verlag 2011
  • Hoffmann Y, Berger H: Zeit für einen Paradigmenwechsel - Behandlung der Streptokokken-Angina. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(29–30):481–488
  • Uhler M: Diagnostik und Therapie des Peritonsillarabszesses am Städtischen Klinikum Dessau von 2000 bis 2009. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2013

 

Bildquelle: Shutterstock absolutimages

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